| Veranstaltung: | außerplanmäßige BDKJ-Hauptversammlung 2025 |
|---|---|
| Antragsteller*in: | KjG, KLJB, Kolpingjugend, DV Limburg (dort beschlossen am: 28.10.2025) |
| Status: | Eingereicht |
| Eingereicht: | 31.10.2025, 13:40 |
DA1: Freiwilligkeit stärken – keine Rückkehr zur Wehrpflicht
Antragstext
Die Hauptversammlung des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) spricht
sich gegen eine Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht und gegen jede Form
eines verpflichtenden Gesellschaftsdienstes aus.
Wir bekräftigen unsere friedensethische Haltung, dass Sicherheit, Frieden und
gesellschaftlicher Zusammenhalt nicht durch Zwangsdienste, sondern durch
freiwilliges, werteorientiertes Engagement, politische Beteiligung und
demokratische Bildung entstehen. Daher fordern wir die Stärkung freiwilliger
Engagementmöglichkeiten in allen gesellschaftlichen Bereichen, die strukturell,
pädagogisch und finanziell abgesichert sind.
- Freiwilligkeit statt Pflicht.
Junge Menschen dürfen nicht zu einem Dienst gezwungen werden. Ein
allgemeiner Pflichtdienst, unabhängig, ob militärisch oder zivil,
entspricht nichtden Grund- und Freiheitsrechten und der Vorstellung einer
selbstbestimmten und solidarischen Gesellschaft. Er würde junge Menschen
entmündigen, anstatt sie zu befähigen, freiwillig Verantwortung zu
übernehmen. Eine Musterung darf zudem nur dann erfolgen, wenn eine Person
grundsätzlich bereit ist, den Wehrdienst anzutreten. Ein Losverfahren
lehnen wir klar ab.
- Stärkung der Freiwilligendienste.
Die Jugendverbände und Freiwilligendienste zeigen seit Jahrzehnten, dass
Engagement funktioniert, wenn es auf Freiwilligkeit beruht. Der Bund muss
bestehende Freiwilligendienste (wie FSJ, FÖJ, IJFD, BFD) und deren Träger
strukturell, finanziell und rechtlich absichern. Dazu gehört ein
gesetzlicher Rechtsanspruch auf Förderung jeder abgeschlossenen
Freiwilligendienstvereinbarung zwischen Freiwilligen, Trägern und
Einsatzstellen und eine staatliche Vergütung auf BAföG-Niveau, um soziale
Hürden abzubauen[1]. Wir schließen uns daher der Forderung nach einem
Freiwilligendienste-Stärkungsgesetz an[2]. Freiwilliges Engagement darf
keine Frage des Einkommens oder der sozialen Herkunft sein.
- Gleichbehandlung und Geschlechtergerechtigkeit.
Jede Form von Pflichtdienst muss, insofern sie überhaupt eingeführt wird,
geschlechtergerecht und diskriminierungsfrei ausgestaltet werden. Modelle,
die ausschließlich junge Männer erfassen, verstoßen gegen unsere Haltung
zu Geschlechtergerechtigkeit sowie aus unserer Sicht gegen Artikel 3 des
Grundgesetzes. Daher lehnen wir verpflichtende Dienste auf Grundlage des
Geschlechts entschieden ab und fordern stattdessen freiwillige,
diskriminierungsfreie Beteiligungsmöglichkeiten für alle Geschlechter.
Geschlechtergerechtigkeit bedeutet dabei nicht, alle gleich zu behandeln,
sondern die unterschiedlichen Lebensrealitäten und Belastungen von
Menschen gerecht zu berücksichtigen.
- Generationengerechtigkeit.
Es ist unfair und unsolidarisch, nur junge Menschen ab 18 in die Pflicht
zu nehmen, um gesellschaftliche Missstände zu kompensieren. Bereits in
vergangenen Krisen[3] wurde immer wieder Verantwortung auf junge Menschen
übertragen. Generationengerechtigkeit muss endlich Kompass politischer
Verantwortung sein[4].
- Gleichwertigkeit von militärischem und zivilem Dienst.
Jegliche Freiwilligendienste, egal ob militärisch oder zivil, müssen
finanziell, strukturell und gesellschaftlich gleichwertig ausgestattet und
anerkannt sein. Hierzu zählt auch, dass bei den Anschreiben an junge
Menschen, in denen sie über den Dienst in der Bundeswehr informiert
werden, ebenso umfassend auf die zivilen Engagementmöglichkeiten
hingewiesen wird. Nur dies schafft eine echte Wahlfreiheit zwischen den
Diensten und Einsatzstellen, die im Sinne der Selbstbestimmung und des
Abbaus des Klassismus unbedingt ermöglicht werden muss. Falls ein
verpflichtender Dienst eingeführt wird, muss eine echte freie Wahl
zwischen militärischem und zivilem Dienst bestehen. Bereits geleistete
Dienste und ehrenamtliches Engagement müssen zudem in angemessener Form
berücksichtigt und anerkannt werden.
- Politische Verantwortung und Beteiligung.
Junge Menschen und ihre Verbände müssen unverzüglich, dauerhaft und
ernsthaft in alle politischen Prozesse einbezogen werden, die ihre
Lebensrealitäten betreffen. Auch und insbesondere in den Debatten zur
Wehr- und Dienstpflicht darf nicht nur über, sondern muss endlich mit
jungen Menschen gesprochen und deren Meinung ernst genommen werden.
Politische Beteiligung ist ein wesentlicher Bestandteil gesellschaftlicher
Resilienz und legitimer Entscheidungsprozesse. Darüber hinaus müssen
Jugendverbände als zentrale Orte demokratischer Bildung und
Friedenserziehung gefördert und in politische Prozesse einbezogen werden.
Hier benötigt es Beteiligungsmaßnahmen, mittels derer Kinder, Jugendliche
und junge Menschen aktiv Einfluss nehmen können. Die Positionierungen von
Jugendverbänden sowie deren Stellungnahmen im Rahmen der
Verbändebeteiligung im Gesetzgebungsverfahren[5] müssen in den politischen
Entscheidungen Einfluss finden.
- Notwendige Begleitstrukturen.
Psychologische und sozialpädagogische Begleitstrukturen müssen ein
zentrales Element für Menschen in zivilen und militärischen Diensten sein.
Dafür müssen die bestehenden Anlaufstellen und Träger systematisch
unterstützt und ausgebaut werden. Ebenso braucht es diskriminierungs- und
rassismussensible Strukturen sowie wirksame Präventions- und
Schutzkonzepte gegen sexualisierte Gewalt.Junge Menschen dürfen nicht zu
Tätigkeiten verpflichtet werden, die ihrer psychischen Gesundheit schaden
oder Diskriminierung oder Traumatisierungen fördern.
Als überzeugte Christ*innen und Europäer*innen halten wir an unseren Zielen und
Werten fest, die wir in vielen Beschlüssen und detaillierten Forderungen an
Politik und Gesellschaft zum Ausdruck gebracht haben:
Konflikte werden nicht durch Aufrüstung gelöst, sondern durch Entwaffnung,
Rüstungsexportkontrollen, sowie Perspektivangebote für Betroffene.[6] Darüber
hinaus ist neben einer Sicherheitspolitik jenseits von Macht- und Militärlogik,
eine gezielte Stärkung von Krisenprävention, humanitärer Hilfe sowie Bildung und
Entwicklungszusammenarbeit essenziell zur Erhaltung und zum Wiederaufbau von
Frieden.[7] Und auch angesichts wachsender autoritärer und militärischer
Dynamiken ist eine friedensethische Weiterentwicklung nötig, die Menschenrechte,
zivile Konfliktbearbeitung und nachhaltige Friedensordnung ins Zentrum stellt.
Diplomatie und Friedensarbeit müssen vorrangig genutzt werden und militärische
Verteidigung darf nur als letztes Mittel gewählt werden.[8]
Wir fordern die Mitglieder des deutschen Bundestages, insbesondere den
Bundesverteidigungsminister und den Bundeskanzler dazu auf, die Perspektive
junger Menschen ernst zu nehmen und entsprechend zu berücksichtigen. Wir fordern
die Bundesjugendministerin zudem dazu auf, sich in allen Anliegen, die
insbesondere junge Menschen betreffen, sich für diese einzusetzen und eine
starke Stimme für sie im Bundeskabinett zu sein.
Wir sind davon überzeugt, dass junge Menschen ihr volles Potenzial entfalten
können, wenn sie sich aus eigenem Antrieb engagieren. Wenn diese durch die
entsprechenden Rahmenbedingungen[9] gefördert werden, ergeben sich nachhaltige
Anreize für langfristiges freiwilliges gesellschaftliches Engagement.
[1] „Rechtsanspruch auf Förderung eines Freiwilligendienstes“, Beschluss der
BDKJ-Hauptversammlung 2024
[3] Wie z.B. Corona-Pandemie, Klimakrise, vermehrte Belastung des
Generationenvertrags durch den demografischen Wandel
[4] “Generationengerechtigkeit als Kompass politischer Verantwortung”, Beschluss
der BDKJ-Hauptversammlung von 2025.
[6] “Kinder und Jugendliche wollen Frieden, keine Waffen”, Beschluss der BDKJ-
Hauptversammlung 2016.
[7] “Frieden ist mehr wert! Frieden und Sicherheit weiterentwickeln –
Perspektive für alle Menschen schaffen”, Beschluss der BDKJ-Hauptversammlung
2019.
[8] “Menschen schützen – Gewalt überwinden – Frieden nachhaltig stärken”,
Beschluss der BDKJ-Hauptversammlung 2023.
[9] „Rechtsanspruch auf Förderung eines Freiwilligendienstes“, Beschluss der
BDKJ-Hauptversammlung 2024; “Ehrenamt anerkennen – Engagement fördern und
würdigen”, Beschluss der DBJR-Vollversammlung 2017.
Begründung
Die Wiedereinführung der Wehrpflicht wird seit Frühjahr 2025 wieder intensiv politisch diskutiert. Das Bundeskabinett hat einen Gesetzesentwurf beschlossen, der eine verpflichtende Wehrerfassung ab 2026 und eine Musterung ab 2027 vorsieht. Die Union hat nun sogar die Debatte um einen sofortigen Pflichtdienst ohne freiwilligen Faktor neu aufgewärmt. Diese Entwicklung stellt einen massiven jugendpolitischen Rückschritt dar und verlangt eine klare Positionierung des BDKJ. Kritiker*innen und Befürworter*innen betonen, dass viele Weichenstellungen noch 2025 fallen werden. Außerdem erhalten bereits jetzt der BDKJ und seine Mitgliedsverbände zunehmend Nachfragen zu diesem Thema.
Der letzte Beschluss zur Wehrpflicht stammt aus dem Jahr 2002. Er forderte bereits damals die Aussetzung der Wehrpflicht aus jugend- und friedenspolitischen Gründen. Die damaligen Argumente, wie eingeschränkte Grundrechte, fehlende Wehrgerechtigkeit und das Ende der sicherheitspolitischen Bedrohungslage, sind bis heute gültig. Sie müssen jedoch im Lichte neuer Herausforderungen fortgeschrieben werden.
1. Freiwilligkeit als Grundlage jugendgerechter Gesellschaft
Freiwilliges Engagement ist Ausdruck von Eigenverantwortung, Solidarität und Demokratie. Diese Werte stehen im Zentrum der Jugendverbandsarbeit. Ein Pflichtdienst, ob militärisch oder zivil, widerspricht dieser Logik. Er entmündigt junge Menschen, anstatt sie zu befähigen, Verantwortung freiwillig zu übernehmen. Die Jugendverbände zeigen seit Jahrzehnten, dass Engagement funktioniert, wenn es auf Freiwilligkeit beruht.
2. Friedens- und sicherheitspolitische Perspektive
Friedens- und Konfliktforschung betonen, dass dauerhafte Sicherheit nicht durch Zwang und Militarisierung, sondern durch Prävention, Diplomatie, Bildung und soziale Gerechtigkeit entsteht. Friedenssicherung bedeutet, Ursachen von Konflikten (Armut, Ungleichheit, Klimakrisen, Diskriminierung) zu bekämpfen, anstatt militärisch zu reagieren. Der BDKJ steht für eine zivile Sicherheitspolitik, die auf internationale Kooperation, Versöhnung und Menschenrechte setzt.
3. Gleichbehandlung und Geschlechtergerechtigkeit
Ein Modell, das nur junge Männer erfasst, widerspricht den Grundwerten der Gleichberechtigung. Eine Ausweitung auf alle Geschlechter würde jedoch die Freiheitsrechte aller jungen Menschen massiv einschränken. Der BDKJ lehnt beides ab und fordert gleichstellungspolitisch konsequente Alternativen: Freiwilligendienste, politische Bildung und Engagementförderung.
4. Freiwilligendienste als gelebte Solidarität
Die Freiwilligendienste leisten einen zentralen Beitrag zur Demokratiebildung, sozialen Gerechtigkeit und Persönlichkeitsentwicklung junger Menschen. Sie sind die friedliche, solidarische Alternative zur Wehrpflicht. Ein Rechtsanspruch auf Förderung und eine sozial gerechte Finanzierung sind notwendig, damit alle jungen Menschen unabhängig von Einkommen und Herkunft teilnehmen können.
5. Jugendgerechtigkeit und Teilhabe
Eine kinder- und jugendgerechte Gesellschaft nimmt die Perspektiven junger Menschen ernst. Sie schafft Freiräume statt Zwänge, fördert Bildung statt Musterung und setzt auf Engagement statt Pflicht. Junge Menschen sind Friedensakteur*innen – keine Ressource für sicherheitspolitische Symbolpolitik.
